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Eltern und Kinder

Liebe Eltern, liebe Mütter und Väter,

kennt ihr noch das vierte biblische Gebot, in dem es darum geht, wie sich Kinder gegenüber ihren Eltern verhalten sollen: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass dir es wohl ergehe und du lange lebest auf Erden.

 

Dieses Gebot ist klar und gut verständlich formuliert, und man könnte es - oberflächlich betrachtet - so stehen lassen und bejahen. Sieht man aber genau hin, so fällt auf, dass es nur die halbe Wahrheit aussagt, indem es lediglich über die Pflichten der Kinder spricht. Aber, so fragen wir uns, wo bleiben denn ihre Rechte? Sind sie nur dazu da, ihre Eltern zu ehren? Oder sollten das nicht in gleicher Weise auch die Eltern ihren Kindern gegenüber tun? Ist das Gebot in dieser Form akzeptabel, wo doch Eltern und Kinder eine untrennbare - und man müsste hinzufügen: gleichberechtigte - Gemeinschaft darstellen? Offensichtlich fehlt etwas daran, wenn wir nicht auch darüber sprechen, wie sich die Eltern gegenüber ihren Kindern verhalten sollen. Deshalb wollen wir hier auch etwas dazu sagen.  

 

In diesem biblischen Gebot werden die Kinder wie Untergebene behandelt, die sich ihren Eltern gegenüber gehorsam verhalten müssen, damit es ihnen nicht schlecht ergeht. Das ist zwar ein legitimer Anspruch, den Eltern gegenüber ihren Kindern haben. Denn sie haben ihnen ja das Leben ermöglicht und sie wahrscheinlich auch gut behandelt, und dass die Kinder normalerweise dafür dankbar sind, ist selbstverständlich.

 

Wenn sie es aber nicht sind – kann man es ihnen befehlen? Natürlich nicht, denn Dank muss freiwillig erfolgen, er kann nicht eingefordert werden. Jedenfalls echter Dank, der immer ein Ausdruck von Freude ist und „von Herzen“ kommen muss. Dank aus Pflichtgefühl, aus Höflichkeit oder Gewohnheit ist dagegen minderwertig, weil nicht echt, und löst bei beiden, der dankenden und der bedankten Person ein ungutes Gefühl aus: der/die Dankende sträubt sich mehr oder weniger unbewusst gegen den Zwang und der/die Bedankte fühlt sich belästigt oder beleidigt, weil er/sie die Leere und Falschheit darin spürt. So geht es feinfühligen Eltern, wenn sie sich von ihren Kindern widerwillig und pflichtgemäß „geehrt“ fühlen. Selbst abgestumpfte oder sehr egozentrische Eltern nehmen eine solche unausgesprochene Ablehnung durch ihre Kinder mit Missvergnügen wahr.

 

Hier bewahrheitet sich das Sprichwort. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Wenn Kinder ihre Eltern ablehnen oder sogar verachten, dann muss das einen Grund haben. Wenn Eltern nicht so sind, wie es ihre Kinder wünschen und erwarten, nämlich liebevoll, großzügig, verständnisvoll, tolerant, vorbildlich, dann löst das bei ihnen entsprechende Gegenreaktionen aus, mit denen sie sich verteidigen oder schützen. Dann hilft auch kein biblisches oder gesetzliches Gebot, denn unsere Gefühle lassen sich nicht machen, sie entstehen spontan als Antwort auf das, was uns das Leben bietet oder abverlangt – wozu ja auch die Eltern gehören.

 

Wenn zwei Menschen etwas miteinander zu tun haben, ist es wichtig, dass beide Parteien zeigen, dass sie sich mögen oder sich zumindest respektieren. Das ist gerade im Umgang von Eltern und Kindern besonders wichtig. Das Problem ist dabei nur, dass man positive Gefühle nicht erzwingen kann. Sie müssen spontan und freiwillig entstehen, und erst dann sind sie wahrhaftig oder authentisch.

 

Wie aber können wir solche positiven Gefühle hervorrufen? Dafür müssten wir ein positives Umfeld erzeugen, in dem die erfreulichen Gefühle gedeihen wie die Pflanzen in der Sonne, und das hat immer etwas mit Liebe zu tun. Denn sie ist der Ausdruck für das Gute, Schöne und Glückliche. Wenn du geliebt werden willst, muss du liebenswert sein. Nur so kann eine Beziehung entstehen, in der die guten Gefühle und Gedanken lebendig werden und bleiben. Diese sind in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern am wichtigsten und prägen beide für ihr ganzes Leben. Es ist ein ständiges Geben und Nehmen, das sich, abhängig von der altersmäßigen Situation, ununterbrochen und sich verändernd erneuert.

 

Das biblische Gebot ist ein Kompromiss zwischen dem, was wünschenswert, und dem, was möglich ist. Es spricht nicht vom Ideal, nämlich der Liebe, sondern „nur“ von Ehre. Darin liegt mehr Distanz, dadurch ist das Gebot der menschlichen Realität angepasst, die von den vielen teilweise konträren Veranlagungen und Eigenschaften der Menschen geprägt ist. Niemand ist nur immer gut und lieb, wir alle haben auch eine „negative“ Seite, die mal stärker, mal schwächer agiert. So ist unter diesen oft von Konflikten belasteten Lebensumständen eine positiv respektvolle und wohlmeinende Haltung den Eltern, aber auch den Kindern, gegenüber zwar nicht ideal, aber oft schon ein gewisser Erfolg.

 

Alle Mütter und Väter wollen natürlich von ihren Kindern geliebt und geehrt werden. Zum Glück begegnen sie ihnen normalerweise mit Liebe und Respekt und bedenken, dass sie in den Dienst ihrer Kinder gestellt und dazu ausersehen sind, ihrem Kind ein liebevolles und positives Vorbild zu sein. Sie wissen ja, dass sie klüger und erfahrener sind als ihre Kinder, weil eine ganze Lebensspanne zwischen ihnen liegt und dass sie deshalb nachsichtig und geduldig mit ihnen sein müssen.

Dabei ist Vertrauen das wichtigste Element im Umgang mit den Kindern, die ja mit vollem Vertrauen von ihnen das Beste erwarten. Dass Eltern damit sorgsam umgehen und sich seiner würdig erweisen müssen, versteht sich von selbst. Denn wenn das Vertrauen ihres Kindes verloren ist, dann ist es für sie nicht mehr erreichbar.

Manchmal hat man das Gefühl, man müsste rufen: Liebe Mütter und Väter, ihr seid für euer Kind da und euer Kind ist für die Welt da und eines Tages wieder für seine Kinder. Verlangt nichts Unmögliches von ihm, gebt ihm, was es braucht, Liebe, Verständnis, Respekt und eine gute Einstellung zum Leben, damit es ein glücklicher Mensch werden kann. Dann wird es euch nicht nur ehren, sondern auch lieben.

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