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Jedem das Seine

Es heißt, alle Menschen seien gleich. Doch genau gesehen stimmt das nicht. Zwar trifft es auf die Grundelemente des Menschen zu, wie die Anatomie, bestimmte Körper- und Denkfunktionen sowie Instinkte und Gefühle. Doch selbst in diesen relativ einfachen Bereichen gibt es viele Unterschiede zwischen den meisten Menschen und noch deutlicher sind diese bei den individuellen Persönlichkeitsmerkmalen, der Geistesausrichtung und der Selbstwahrnehmung. Wenn man dies berücksichtigt, wird klar, dass eigentlich kein Mensch dem anderen gleicht – so wie ja in unserer Welt kein einziges Ding exakt mit irgendeinem anderen übereinstimmt.

 

Was folgt für uns aus dieser Erkenntnis? Wir können nicht grundsätzlich erwarten, dass unsere Mitmenschen die gleichen Fähigkeiten, Eigenschaften, Gefühle, Gedanken, Vorlieben, Aversionen, Ideale usw. wie wir selbst besitzen.

Dennoch gehen wir, da wir uns als Mittelpunkt unserer Welt verstehen, immer wieder irrtümlich davon aus, dass andere Menschen die Dinge genau so oder ähnlich wie wir sehen und dass sie dasselbe wollen und lieben wie wir.

Das aber ist der große Fehler, der oft im menschlichen Miteinander gemacht wird, weil wir Menschen, entgegen der weit verbreiteten Behauptung, eben nicht alle gleich und uniform sind, sondern uns in vielen persönlichen Eingenarten deutlich von den anderen unterscheiden, und weil wir selbst oft ganz anders denken und handeln als jene Menschen, mit denen wir zu tun haben.

 

Deshalb ist die bekannte Forderung: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“ nur bedingt richtig. Sie klingt zwar plausibel und macht die Dinge für uns einfach, denn wir brauchen uns ja nur zu fragen, was wir selbst wollen würden und gerne hätten, um dasselbe anderen zukommen zu lassen. Aber dennoch kann es vorkommen, dass man damit einen Fehler macht. Wenn man zum Beispiel keine kalte Dusche mag und sie deshalb einem begeisterten Kalt-Duscher vorenthält, tut man ihm nichts Gutes. Dementsprechend könnte man auch sagen: Was dir gefällt, das dränge anderen nicht auf, denn vielleicht gefällt es ihnen nicht. Deine gut gemeinten Taten und Gaben könnten, wenn sie ungefragt oder ungebeten erfolgen, als Belästigung oder Beleidigung empfunden werden, oder sogar als nicht gewünschte Eingriffe in ihr Schicksal.

 

Denn auch eine gute Handlung kann einen negativen Effekt haben, genau wie eine schlechte Handlung einen positiven. Das hängt ganz von den Umständen und von der Einstellung des/der Begünstigten ab. Ein gut gemeintes Geschenk kann großen Ärger bereiten und eine Gewaltmaßnahme befreiend wirken. Entscheidend ist daher, dass wir, wenn wir jemandem etwas vermeintlich Gutes tun wollen, uns immer vergewissern sollten, ob es erwünscht ist. Darin drückt sich auch etwas aus, was im Umgang mit anderen Menschen wichtig ist: das Verständnis und der Respekt gegenüber ihnen. Viele Konflikte entstehen daraus, dass dies nicht beachtet wird, und die Reaktionen, die wir drauf erleben, empfinden wir vielleicht als persönliche Ablehnung oder Provokation, so dass am Ende alle beleidigt und verärgert sein können.

 

Die ersten derartigen Probleme ergeben sich schon in der Kindheit, wenn Eltern meinen, ihre Kinder seien genauso veranlagt wie sie selbst. Die Folge sind oft Missverständnisse, erzieherische Fehler und sogar Konflikte, zum Beispiel bei der Partnerwahl des Kindes oder der Berufswahl. Die meisten Generationskonflikte entstehen aus diesem Unverständnis bzw. der Intoleranz der Eltern. Es ist nun einmal so, dass jeder Mensch so akzeptiert und geliebt werden will (bzw. muss) wie er ist, und auf Kinder trifft dies in besonderem Maße zu. Die Folgen solcher Missverständnisse und Erziehungsfehler sind seelische Traumata, deren Folgen meist lebenslang bestehen bleiben und die Persönlichkeit des Kindes deformieren. Nur wenige schaffen es, sich im Laufe ihres Lebens davon zu befreien.

 

Daher heißt eine wichtige Erkenntnis für den Umgang mit anderen Menschen: Schließe nie von dir auf andere, sondern versuche, sie zu verstehen und in ihrer Eigenart zu respektieren.

Das gilt übrigens auch und besonders für Politiker.

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