DR. MED. GÖTZ BLOME
Kontaktfähigkeit
Kommunikation ist eine der Grundlagen des Lebens – es gibt sie in der belebten Natur genauso wie im Bereich der Atome. Auch wir Menschen kommunizieren ständig: verbal und nonverbal, visuell, akustisch, taktil, gedanklich und spirituell, bewusst und unbewusst auf allen Ebenen mit unserem Geist und dem Körper, den Organen und den einzelnen Zellen. Wir sind auf eine geheimnisvolle Weise mit allen Wesen und Dingen verbunden und tauschen ununterbrochen Gedanken, Energien, Wissen und Informationen mit ihnen aus.
Dies geschieht je nach Menschentyp in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung. Dabei kann man zwei Typen unterscheiden: den extravertierten und den introvertierten. Der eine ist gesellig, gesprächig, kontaktfreudig; er liebt den ständigen Austausch von Gedanken und Informationen und fühlt sich allein oder verlassen, wenn er keine Gesellschaft hat. Dem anderen sind dagegen andere Menschen meist eher lästig. Er empfindet sie als störend oder aufdringlich, weil er das Gefühl hat, dass sie von ihm etwas erwarten und ihn in irgendeiner Weise beeinflussen oder bedrängen wollen. Da er als introvertierter Mensch seine Aufmerksamkeit mehr nach innen richtet, empfindet er oberflächliche Kontakte (wie z.B. beim „small talk“) als unbefriedigend und unpassend. Zudem kann er, weil er immer alles gründlich in seinem Inneren verarbeiten muss, nur eine begrenzte Menge äußerer Eindrücke aufnehmen bzw. Kontakte pflegen. Daher sucht er, zum Beispiel als introvertierter Künstler oder Philosoph, die Distanz zu anderen Menschen, um ungestört seine Gedanken und Ideen entwickeln zu können. Er hat eine Ähnlichkeit mit dem griechischen Mathematiker Archimedes, von dem der Ausspruch: „Störe meine Kreise nicht!“ stammt.
Grundsätzlich müssen wir jeden Menschen in seiner Eigenart respektieren. Man darf nie den Fehler machen, von sich auf andere zu schließen und, wenn man z.B. einen extravertierten Charakter besitzt, meinen, bei den stillen, zurückhaltenden und nachdenklichen Menschen stimme etwas nicht. Dennoch kann sich diese Veranlagung unter dem Einfluss schlechter Erfahrungen oder schwerer psychischer Belastungen krankhaft steigern und den betreffenden Menschen zum ängstlichen oder misanthropischen Außenseiter machen, der nicht mehr offen und spontan auf andere Menschen zugehen kann. Falls er dies nicht erkennt, kann ihn sein ablehnendes oder extrem schüchternes Verhalten in Isolation und quälende Einsamkeit treiben, z.B. in der Partnerschaft, am Arbeitsplatz oder bei gesellschaftlichen Veranstaltungen. So zeigt sich wieder einmal: das richtige Maß liegt stets in der Mitte – genauer gesagt: in unserer eigenen Mitte.
Daher ist es für Menschen mit introvertiertem Charakter richtig, sich einerseits so weit zurückzuziehen, wie ihre Seele es braucht, und sich andererseits so weit für andere Menschen zu öffnen, wie es für das Leben in der realen Welt erforderlich ist. In welchem Umfang dies geschehen sollte, kann man nicht pauschal sagen. Wenn man dabei aber krank oder unglücklich wird, vereinsamt oder autistisch wird, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Korrektur erforderlich ist.
Auch Archimedes wäre es besser bekommen, wenn er sich etwas kontaktfreudiger gegeben hätte. Denn sein berühmter Spruch hatte die Folge, dass er von jenem feindlichen Soldaten, den er damit abwies, erschlagen wurde.
Thema von Floriplex Nr.7