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Trauer und Neubeginn

 

Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist“  dies ist die Devise der Lebenskünstler. Zwar sind hiermit vor allem die unangenehmen Umstände und Erlebnisse gemeint, doch genau genommen gilt diese Parole auch für die sentimentalen Erinnerungen an erfreuliche Erlebnisse in der Vergangenheit. Daher fällt es nicht nur den Trauernden, sondern auch den Träumern oft schwer, im realen Leben Fuß zu fassen und „glücklich“ zu sein. Besonders jene zur Sentimentalität neigenden Menschen, die etwas festzuhalten versuchen, was vergangen und verloren ist, pflegen schwer unter Trauer und Heimweh zu leiden. Ihr Problem besteht darin, dass sie die Wirklichkeit nicht akzeptieren wollen, obwohl sie eigentlich genau wissen, dass ihnen nichts anderes übrigbleibt.

Unser Leben wird ja von jener unbegreiflichen Instanz, die wir Gott, Schicksal oder Bestimmung nennen, gestaltet. Sie gibt und nimmt in unaufhörlicher Folge und nach geheimnisvollen Kriterien, sie schickt uns „Freude“ oder „Leid“, „Unglück“ oder „Glück“, und sie bestimmt letztlich auch die Dauer unseres irdischen Lebens. Da wir ihre Geschöpfe sind, ist jeder Versuch, ihr Widerstand zu leisten, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wenn wir es trotzdem versuchen, müssen wir leiden. Denn Leiden entsteht immer dadurch, dass wir uns gegen die Lebensrealität (Schicksal) sträuben. Trauer und Heimweh sind typische Beispiele hierfür: wir leiden, weil wir nicht akzeptieren wollen oder können, dass wir einen lieben Menschen oder etwas, das uns viel bedeutete, verloren haben oder dass sich unser Leben nicht entsprechend unseren Wünschen entwickelt hat.

Dass wir damit einen Fehler machen, merken wir immer sogleich am damit verbundenen seelischen Schmerz. Genauso wissen wir, dass das Leiden verschwindet, sobald wir die Tatsachen, die sich ja niemals ungeschehen machen lassen,  z.B. den Verlust, die Verletzung, die Niederlage, den Misserfolg, akzeptieren und ihnen einen (möglichen) Sinn zugestehen. Unser Leiden soll uns bewusster machen und uns zu einer Korrektur unserer Verweigerungshaltung zwingen. Wenn ich meine Hand an einen heißen Ofen halte, leide ich so lange, bis ich mich entschließe, sie wegzuziehen. Wenn ich einen Verlust nicht akzeptieren will, leide ich so lange, bis ich meine verneinende Haltung aufgegeben habe und bereit bin, mich an dem zu erfreuen, was ich stattdessen (bekommen) habe.

Das ist, wie wir alle wissen, leichter gesagt als getan. Denn schmerzhafte Erlebnisse und Verluste hinterlassen oft tiefe Wunden. Besonders stark pflegt es jene Menschen zu treffen, die sehr starke und tiefe Gefühlsbeziehungen einzugehen pflegen. Wenn sie zum Beispiel einen geliebten Menschen verlieren, ist es, wie wenn eine tief wurzelnde Pflanze gewaltsam aus dem Boden gerissen wird. Die Heilung solcher Wunden erfordert viel Zeit und Ruhe und Ehrlichkeit. Vor allem aber dürfen sie nicht dadurch immer wieder aufgerissen werden, dass man wehmutsvoll, verbittert oder hoffnungslos an das Trauma denkt.

In der Bibel heißt es: „Herr, lehre uns zu bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“. Jeder Verlust ist ein kleiner Tod und kann uns klüger fürs Leben machen.

Thema von Floriplex Nr.10

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