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Toleranz

 

Unsere Welt besteht aus vielen zusammenpassenden und gegensätzlichen Faktoren. Aus einer entfernten Perspektive sieht sie zwar wie ein kompaktes Gebilde aus, bei genauerer Betrachtung aber erkennt man, dass sie ununterbrochen aus unzähligen Teilchen ständig neu ersteht, von denen jedes einzelne eine eigenständige, winzige Einheit darstellt und sich zugleich mehr oder weniger von allen anderen unterscheidet. Sie  alle werden durch eine ordnende Kraft zu einem großen Ganzen, nämlich unserer Welt, zusammengefügt, so dass diese ein Kollektiv aus Individuen darstellt.

Es ist wie bei einem Ameisenhaufen: aus der Ferne betrachtet hat er seine charakteristische Form, aus der Nähe sieht man jedoch, dass er ununterbrochen aus den unzähligen, hin- und herlaufenden Ameisen neu gebildet wird. Die herumwimmelnden Ameisen, die scheinbar planlos in alle Richtungen laufen, erschaffen gemeinsam etwas, das über ihren persönlichen Interessen steht und für alle gut ist, nämlich den Ameisenhaufen.

Ähnlich ist es bei uns Menschen. Wir bilden zwar, zusammen genommen, ein großes Ganzes (die Menschheit, ein Volk, eine Gemeinschaft), sind aber gleichzeitig autonome Individuen, die sich voneinander unterscheiden und jeweils ihre eigenen Motivationen und Sichtweisen haben. Wir sind also sowohl Einzel- als auch Massenmenschen. Daher können wir zwar entsprechend unserem persönlichen Charakter egoistisch unsere privaten Interessen verfolgen, müssen uns aber gleichzeitig, als Mitglieder der Menschheit, altruistisch und in überpersönlicher Weise am Aufbau und der Aufrechterhaltung unserer Welt beteiligen. Konkret gesprochen: sowohl die kleine Familie als auch die große Nation, der Handwerksbetrieb und das Unternehmen, die persönliche Partnerschaft und das Team können nur durch unsere Bereitschaft bestehen, die Andersartigkeit und Interessen unserer Mitmenschen zu respektieren und zugunsten der Gemeinschaft auf gewisse private Ansprüche zu verzichten.

Daher ist es auch wichtig, unsere oft kleinlichen, persönlichen Abneigungen dem unterzuordnen, was wir, unabhängig von Rasse, Geschlecht und Charakter, mit allen anderen Menschen gemeinsam haben und was uns mit ihnen verbindet. Aus einem solchen Bewusstsein heraus sind wir fähig, auf andere Menschen zuzugehen, an ihrem Leben Anteil zu nehmen und ihnen die gleichen menschlichen Basisrechte wie uns selbst zuzugestehen. Hierauf gründen Menschlichkeit und Humanität, Kultur und Zivilisation, und sie sind die Grundlage dafür, dass auch wir von anderen toleriert werden und unser eigenes Leben führen können.

Diese Erkenntnis ist besonders für jene Menschen wichtig, die darauf eingestellt sind, immer sogleich alles zu kritisieren und abzulehnen, was von anderen kommt oder was ihnen neu und fremd ist. Oft entwickeln sie aus dieser Einstellung heraus sogar echte körperliche Allergien, die ja darin bestehen, dass sie Teile ihrer Umwelt (Substanzen, aber auch Menschen) nicht tolerieren.

Gerade in der heutigen, mehr und mehr „globalisierten“ Welt, in der sich die unterschiedlichen Nationen und Kulturen immer mehr vermischen, sind Toleranz, Menschenfreundlichkeit und geistige Offenheit in unser aller Interesse. Nur mit ihnen lässt sich der große Ameisenhaufen „Welt“ zusammenhalten und vor der Zerstörung bewahren.

Thema von Floriplex Nr. 14

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